Beim Geocachen passieren einem ja ab und an mal merkwürdige Dinge. Aber das, was wir gestern in einem kleinen Dorf am Rande des Harzes erlebten, war noch ein bisschen seltsamer.
Auslöser war ein sehr spezieller Cache, Jacob's moving Cache. Eine Cacheart, die fast ausgestorben ist; Dosen, die wandern. Zu meiner großen Freude befand sich eine von diesen scheuen Gesellen in der Nähe der für diesen Samstag angepeilten LPC-Tour. Auch noch eine, die sich mit Vorliebe in Bäumen und an ähnlichen T5-Orten zu finden wünscht. Klang definitiv nach einem Zwischenstop.
Gedacht, getan. Auch wenn die Regenwolken an diesem sonst sehr sonnigen Tag kurz vor Erreichen des Dörfchens meine Vorfreude etwas zu mindern vermochten. Auf dem Parkplatz klickten wir uns durch die Wetterradarseiten. „Das ist nur ein kleines Regengebiet, gucken wir trotzdem, ob die Dose überhaupt noch da und ob sie halbwegs gut zu erreichen ist?“ Türlich guckten wir! Es waren ja nur 200 Meter und inzwischen war der Regen in Niesel übergegangen.
Die Bigshot (eine lange Stange mit einer Wasserbombenschleuder) und Pilotschnur (die man mit einem Wurfsack in den Baum schießen kann um später das Seil daran hochziehen zu können) nahmen wir schon mal mit. Falls wir uns wirklich entschließen sollten, die Dose herunterzuholen, könnten wir ja später noch die Klettersachen aus dem Kofferraum holen. Mit „kleinem Gepäck“ stapften wir die wenigen Meter in den Wald hinein. Tatsächlich, eine Dose, ziemlich weit oben in einer riesigen Buche, an einem gut treffbaren Außenast. Stammnäher wäre mir zwar lieber gewesen, aber der Ast war wirklich dick. Das Loch mitten im Baum allerdings auch. Aber bevor wir überhaupt beratschlagen konnten, ob wir das Einschießen probieren oder doch weiterfahren (immerhin waren zwei von uns vieren gar keine Klettercacher), kam ein älterer und etwas dicklicher Mann den Waldweg herunter. So wie er uns anschaute und mit Latschen gekleidet war, war gleich klar: der ist nicht zum spazieren gehen hier. Natürlich hielt er genau auf uns zu und fragte gleich los. Was wir mit der Stange hier im Wald vor hätten und warum da oben im Baum eine Dose hinge.
Da leugnen an dieser Stelle einem durchschaubaren Lügen gleichgekommen wäre, antworteten wir wahrheitsgemäß aber ohne Details preiszugeben, dass es sich hierbei nur um ein harmloses Spiel handeln würde, und wir gekommen sind, um die Dose - vielleicht - wieder einzusammeln.
Das wäre wohl auch besser, meinte der Mann. Man mache sich hier im Ort schon Sorgen, was das denn wohl wäre. Man vermutete eine Kamera (mitten im Wald, in einer Tupperdose auf 20 Metern Höhe???) und hätte schon mit vereinten Kräften und mehreren aneinandergebastelten Leitern versucht, an die Dose heranzukommen. Und als er da eben das Auto aus Hannover gesehen und uns mit der Stange in den Wald hat gehen sehen, habe er sich schon gedacht, dass wir deswegen gekommen wären.
Mehrere Leitern, derartige Höhen, paranoide, Stasi-gewohnte Ostdeutsche? Spätestens hier wurde uns klar, wir müssen die Dose retten! Nicht des Punktes, sondern der Sicherheit des armen, kleinen und vom Aussterben bedrohten Caches wegen!
Zwei von uns holten die Rucksäcke, ich schoß die Pilotschnur in den Baum. Ein Schuß, ein perfekter Treffer. Das kann ich wohl unter dem Blick von Anwohnern und nichtkletternder Begleitung besser als sonst ;) . Leider nutzte der erste, gute Schuß nichts, weil die Pilotschnur an der feuchten Astgabel nicht herunterrutschen wollte. Also noch einmal. Der nächste, perfekte Schuß. Und der nächste Anwohner, der sich zu uns gesellte, nachdem der ältere kurz zurück zu seinem Haus gegangen war und (ich schwöre, so ist es gewesen!) eine Glocke geschlagen hat! Wie im Mittelalter, als man sich mit derartigen, akustischen Zeichen zusammengerufen hat um Hexen zu verbrennen, Dämonen auszutreiben oder vor dem Angriff der Schweden zu warnen!
Der neue Anwohner war wesentlich jünger und trug Tätowierungen an beiden Armen. Was ich fast cool gefunden hätte, wenn da nicht Nazisymbolik weithin sichtbar seine Gesinnung gezeigt hätte. Auch dieser fragte uns neugierig aus und langsam wurde klar, dass die Anwohner durchaus mehr wussten, als ihre Fragen den Anschein machten. Sie kannten geocaching.com, sie wussten, dass die Dose Teil eines GPS-gestützten Spieles war, kannten sogar das Listing dieses Moving-Caches und das es englisch war.
Ob dieses Schußgerät (die Bigshot) nicht unter das Waffengesetz fallen würde. Der Nazi wirkte imponiert, wie hoch man damit schießen kann. Er selbst hätte die Dose mit den Leitern ja fast erreicht, dann wäre sie weggewesen. Fast triumphierend blitzten seine Augen bei diesen Worten auf. So ähnlich fühlen sich wohl auch Kindergartenkinder, wenn sie sich gegenseitig die Sandburgen zertreten...
Inzwischen hatten wir endlich das Seil im Baum und Marko kletterte unter den prüfenden Blicken von inzwischen drei Anwohnern und zwei Kindern das Seil hinauf. Kommentiert wurde unsere Freizeitbeschäftigung gegenüber den Kindern damit, dass wir wohl keine Kartoffeln und Holz machen müssten und daher Zeit für derartiges hätten. Tja, dem scheint wohl so zu sein...
Marko pflückte das leidgeprüfte Döschen und brachte es nach unten. Umringt von den Dorfbewohnern präsentierten wir den harmlosen Inhalt samt der harmlosen Pilotschnur zur Befestigung, die doch kein Kabel gewesen ist, worauf sich die Menge recht bald auflöste. Nur der ältere Mann blieb bei uns, bis wir alles wieder verpackt hatten und geleitete uns zurück zum Auto. Wir fühlten uns eskortiert, als wollte er sichergehen, dass wir jetzt wirklich wieder fahren und nicht auf die furchtbare Idee kämen, die Dose einfach an einen anderen Baum in diesem Wald zu hängen.
Cachen in Ostdeutschland – nicht nur den tollen Lost Places wegen immer wieder ein besonderes Erlebis ;)
Auslöser war ein sehr spezieller Cache, Jacob's moving Cache. Eine Cacheart, die fast ausgestorben ist; Dosen, die wandern. Zu meiner großen Freude befand sich eine von diesen scheuen Gesellen in der Nähe der für diesen Samstag angepeilten LPC-Tour. Auch noch eine, die sich mit Vorliebe in Bäumen und an ähnlichen T5-Orten zu finden wünscht. Klang definitiv nach einem Zwischenstop.
Gedacht, getan. Auch wenn die Regenwolken an diesem sonst sehr sonnigen Tag kurz vor Erreichen des Dörfchens meine Vorfreude etwas zu mindern vermochten. Auf dem Parkplatz klickten wir uns durch die Wetterradarseiten. „Das ist nur ein kleines Regengebiet, gucken wir trotzdem, ob die Dose überhaupt noch da und ob sie halbwegs gut zu erreichen ist?“ Türlich guckten wir! Es waren ja nur 200 Meter und inzwischen war der Regen in Niesel übergegangen.
Die Bigshot (eine lange Stange mit einer Wasserbombenschleuder) und Pilotschnur (die man mit einem Wurfsack in den Baum schießen kann um später das Seil daran hochziehen zu können) nahmen wir schon mal mit. Falls wir uns wirklich entschließen sollten, die Dose herunterzuholen, könnten wir ja später noch die Klettersachen aus dem Kofferraum holen. Mit „kleinem Gepäck“ stapften wir die wenigen Meter in den Wald hinein. Tatsächlich, eine Dose, ziemlich weit oben in einer riesigen Buche, an einem gut treffbaren Außenast. Stammnäher wäre mir zwar lieber gewesen, aber der Ast war wirklich dick. Das Loch mitten im Baum allerdings auch. Aber bevor wir überhaupt beratschlagen konnten, ob wir das Einschießen probieren oder doch weiterfahren (immerhin waren zwei von uns vieren gar keine Klettercacher), kam ein älterer und etwas dicklicher Mann den Waldweg herunter. So wie er uns anschaute und mit Latschen gekleidet war, war gleich klar: der ist nicht zum spazieren gehen hier. Natürlich hielt er genau auf uns zu und fragte gleich los. Was wir mit der Stange hier im Wald vor hätten und warum da oben im Baum eine Dose hinge.
Da leugnen an dieser Stelle einem durchschaubaren Lügen gleichgekommen wäre, antworteten wir wahrheitsgemäß aber ohne Details preiszugeben, dass es sich hierbei nur um ein harmloses Spiel handeln würde, und wir gekommen sind, um die Dose - vielleicht - wieder einzusammeln.
Das wäre wohl auch besser, meinte der Mann. Man mache sich hier im Ort schon Sorgen, was das denn wohl wäre. Man vermutete eine Kamera (mitten im Wald, in einer Tupperdose auf 20 Metern Höhe???) und hätte schon mit vereinten Kräften und mehreren aneinandergebastelten Leitern versucht, an die Dose heranzukommen. Und als er da eben das Auto aus Hannover gesehen und uns mit der Stange in den Wald hat gehen sehen, habe er sich schon gedacht, dass wir deswegen gekommen wären.
Mehrere Leitern, derartige Höhen, paranoide, Stasi-gewohnte Ostdeutsche? Spätestens hier wurde uns klar, wir müssen die Dose retten! Nicht des Punktes, sondern der Sicherheit des armen, kleinen und vom Aussterben bedrohten Caches wegen!
Zwei von uns holten die Rucksäcke, ich schoß die Pilotschnur in den Baum. Ein Schuß, ein perfekter Treffer. Das kann ich wohl unter dem Blick von Anwohnern und nichtkletternder Begleitung besser als sonst ;) . Leider nutzte der erste, gute Schuß nichts, weil die Pilotschnur an der feuchten Astgabel nicht herunterrutschen wollte. Also noch einmal. Der nächste, perfekte Schuß. Und der nächste Anwohner, der sich zu uns gesellte, nachdem der ältere kurz zurück zu seinem Haus gegangen war und (ich schwöre, so ist es gewesen!) eine Glocke geschlagen hat! Wie im Mittelalter, als man sich mit derartigen, akustischen Zeichen zusammengerufen hat um Hexen zu verbrennen, Dämonen auszutreiben oder vor dem Angriff der Schweden zu warnen!
Der neue Anwohner war wesentlich jünger und trug Tätowierungen an beiden Armen. Was ich fast cool gefunden hätte, wenn da nicht Nazisymbolik weithin sichtbar seine Gesinnung gezeigt hätte. Auch dieser fragte uns neugierig aus und langsam wurde klar, dass die Anwohner durchaus mehr wussten, als ihre Fragen den Anschein machten. Sie kannten geocaching.com, sie wussten, dass die Dose Teil eines GPS-gestützten Spieles war, kannten sogar das Listing dieses Moving-Caches und das es englisch war.
Ob dieses Schußgerät (die Bigshot) nicht unter das Waffengesetz fallen würde. Der Nazi wirkte imponiert, wie hoch man damit schießen kann. Er selbst hätte die Dose mit den Leitern ja fast erreicht, dann wäre sie weggewesen. Fast triumphierend blitzten seine Augen bei diesen Worten auf. So ähnlich fühlen sich wohl auch Kindergartenkinder, wenn sie sich gegenseitig die Sandburgen zertreten...
Inzwischen hatten wir endlich das Seil im Baum und Marko kletterte unter den prüfenden Blicken von inzwischen drei Anwohnern und zwei Kindern das Seil hinauf. Kommentiert wurde unsere Freizeitbeschäftigung gegenüber den Kindern damit, dass wir wohl keine Kartoffeln und Holz machen müssten und daher Zeit für derartiges hätten. Tja, dem scheint wohl so zu sein...
Marko pflückte das leidgeprüfte Döschen und brachte es nach unten. Umringt von den Dorfbewohnern präsentierten wir den harmlosen Inhalt samt der harmlosen Pilotschnur zur Befestigung, die doch kein Kabel gewesen ist, worauf sich die Menge recht bald auflöste. Nur der ältere Mann blieb bei uns, bis wir alles wieder verpackt hatten und geleitete uns zurück zum Auto. Wir fühlten uns eskortiert, als wollte er sichergehen, dass wir jetzt wirklich wieder fahren und nicht auf die furchtbare Idee kämen, die Dose einfach an einen anderen Baum in diesem Wald zu hängen.
Cachen in Ostdeutschland – nicht nur den tollen Lost Places wegen immer wieder ein besonderes Erlebis ;)